Metformin perioperativ - der aktuelle Stand 2024
Metformin ist ein recht weit verbreitetes Medikament, das von vielen Patienten zur Behandlung eines Diabetes melltitus Typ II eingenommen wird. Allerdings gibt es seit Jahren eine kontroverse Diskussion um die Frage: Metformin perioperativ absetzen ja oder ein?
Metformin perioperativ: Sorge vor der Laktatazidose
Ursächlich für die Meinung, dass Metformin vor einer Operation abgesetzt werden muss, ist die mögliche Komplikation einer Laktatazidose. Im Rahmen einer immer häufigeren Verschreibung von Metformin bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II kam es dann zu einem häufigeren Auftreten einer Laktatazidose, insbesondere bei Patienten mit zusätzlich bestehender Nierenfunktionseinschränkung. Ein Zusammenhang mit der Gabe von Metformin wurde angenommen und das Krankheitsbild der Metformin-assoziierten Laktatazidose aus der Taufe gehoben. Dies führte dann auch zu der Empfehlung, Metformin mindestens 48 Stunden vor einer Operation abzusetzen. Man fürchtete das Risiko einer Laktatazidose im perioperativen Verlauf mit möglicherweise fatalen Konsequenzen für den Patienten.
Metformin perioperativ: Zweifel am Risiko
Nachdem jahrelang reflexartig Metforminpräparate mindestens 48 Stunden vor einer Operation pausiert und sogar Operationen abgesagt wurden, wenn die Patienten noch unter einer Metformintherapie standen, sieht man die Lage inzwischen differenzierter. Verschiedene Studien haben weitere Daten geliefert und lassen Zweifel an dem tatsächlichen Risiko einer Einnahme von Metformin perioperativ aufkommen:
- 2010 zeigte eine große Analyse von mehr als 350 Studien keine erhöhtes Risiko einer Laktatazidose unter einer Therapie im Vergleich zu einer anderen anti-diabetischen Therapie (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20091535/). Tatsächlich muss man aufgrund dieser Daten allein schon in Frage stellen, ob es überhaupt berechtigt ist, von einem eigenen Krankheitsbild einer Metformin-assoziierten Laktatazidose überhaupt zu sprechen.
- 2007 zeigte eine retrospektive Analyse von Patienten nach einer Herzoperation, dass eine Metformin-Einnahme bis zu 8 Stunden vor der Operation nicht mit einem erhöhten Risiko für peri-operative Komplikationen einhergeht. Es war tatsächlich umgekehrt: Patienten unter Metformintherapie hatten insgesamt einen bessere Verlauf nach der Operation. (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17179241/)
- 2020 zeigte eine weitere Studie an Patienten vor einer Herzoperation, dass eine Einnahme von Metformin bis zum Tag der Operation nicht mit einer erhöhte Rate an Komplikationen verbunden war. Im Blut der Patienten gemessene Laktatspiegel waren sogar in der Gruppe der Patienten unter Metformintherapie niedriger als in der Gruppe ohne Metformintherapie (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28558845/).
Insgesamt zeigt sich, dass es keine wirklich aussagefähigen wissenschaftlichen Daten dafür gibt, bei ambulanten Routineoperationen eine Metformintherapie zu pausieren. Entsprechende Guidelines von anästhesiologischen Fachgesellschaften haben dies inzwischen auch erkannt und ihre Formulierungen in den bestehenden Leitlinien zum Thema Metformin perioperativ angepasst:
- die britische "British Diabetes Association" empfiehlt keine Unterbrechung Prä-operativ bei normaler Nierenfunktion und sofern kein Kontrastmittel gegeben wird und eine übliche Einnahme 1-2x am Tag verordnet ist. Quelle: 82134 Peri-op 2nd edition surgical ... - Diabetes UKhttps://www.diabetes.org.uk › resources-s3
- die DGAI (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin) empfiehlt seit 2019, dass eine Einnahme bis zum Vor-Abend einer Operation gerechtfertigt erscheint. Quelle: https://www.ai-online.info/images/ai-ausgabe/2019/12-2019/AI_12-2019_CME_Bischoff.pdf
- der nationale Health Service (NHS) in England empfiehlt seit 2020 keine Unterbrechung einer Metformintherapie sofern eine Nüchternheit nur im Rahmen der üblichen Zeiten (Patient lässt eine Mahlzeit, z.B. das Frühstück aus). Die gilt allerdings auch nur, sofern kein Kontrastmittel gegeben werden soll. Der Bezug zur Gabe von Kontrastmitteln besteht, weil Metformin renal elimiert wird und bei einer renalen Belastung oder Einschränkung der Nierenfunktion durch KM-Gabe eine Kumulation von Metformin befürchtet wird. Quelle: NHS Diabetes guideline for the perioperative management of ...https://www.researchgate.net › publication › 22179020...
Alles in Allem zeigt sich ein langsames Umdenken, was die Gabe von Metformin vor einer Operation angeht. Zunächst hat die Angst vor einer möglichen Laktatazidose überwogen, dies hat sich aber inzwischen in verschiedenen Studien nicht bestätigt. In der Anästhesiepraxis Freiburg Dr. Schmitz-Buchholz empfehlen wir daher entsprechend den beschriebenen Leitlinien KEINE Unterbrechung einer perioperativen Metformintherapie. Dies erscheint gerechtfertigt, da das Absetzen möglicherweise sogar das Risiko von Komplikationen erhöht. Im Rahmen der von uns betreuten ambulanten Operationen erfolgt eigentlich niemals eine Gabe von Kontrastmittel, sodass auch von daher keine Einschränkung der perioperativen Metformingabe nötig erscheint.